Beitrag von Henrietta

Die Jugend von heute ist angepasst, konnte man in dieser Woche vielfach lesen: Das ergab die neue Jugendstudie zu Lebenswelten von 14- bis 17-jährigen in Deutschland. Sein wie alle, ist die Devise. Die Jugend ist wenig rebellisch – ok, das wird Eltern von Jugendlichen, die sich gerade deutlich abgrenzen, nur matt lächeln lassen. Aber im Großen und Ganzen kommt es hin, denn die heutigen Jugendlichen sind schon in vergleichsweise toleranten Elternhäusern aufgewachsen, eine deutliche Abgrenzung von der Gesellschaft ist nicht mehr so nötig. Außerdem erleben sie die Welt und auch ihre eigene Zukunft vielfach als unsicher und bedroht, so dass sie mit Zusammenrücken reagieren.

Normal sein, Mainstream sein ist kein Schimpfwort mehr. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist: Die Spannbreite dessen, was als „normal“ akzeptiert wird, ist deutlich größer geworden, auch deshalb gibt es weniger Abwanderung aus dem Mainstream in Subkulturen. Die Werte, die Jugendliche darum unisono verteidigen, sind Toleranz und Freiheit. Sie akzeptieren zum Beispiel selbstverständlich religiöse Vielfalt im Freundeskreis, aber sie dulden nicht, wenn religiöse Gründe angeführt werden, um Menschen auszugrenzen und abzuwerten. (Muslimische Jugendliche grenzen sich zudem auch sehr entschieden von religiös begründeter Gewalt ab.) Es ist normal und ok, verschieden zu sein.

Heute gibt es beim Schulparties häufig nicht nur eine Tanzfläche, sondern mehrere mit verschiedenen Musikstilen. Und wer mit Tanzen nicht so viel anfangen kann, muss nicht unbehaglich am Rand ein bisschen mittun, um akzeptiert zu sein. Natürlich gibt es Erwachsene, die es bedauern, dass die Jugend von heute so wenig rebellisch ist, weil sie selber Teil einer rebellischen Jugend waren und daraus Vorstellungen ableiten, wie Jugend zu sein hat, denen die Jugendlichen heute nicht gerecht werden. Das ist dann schon wieder ein Treppenwitz: Die Jugendlichen ecken dadurch an, dass sie so wenig anecken.

Die Unsicherheit der Welt und die Gruppe der Jugendlichen, die bildungsbenachteiligt und abgehängt sind, sollten die politische Agenda bestimmen: Mehr Gerechtigkeit, mehr Einsatz für dauerhaften Frieden statt noch mehr Umverteilung unter den ohnehin schon Armen (siehe die Pläne, Alleinerziehenden die Hartz-4-Sätze zu kürzen, wenn ihr Kind tageweise beim anderen Elternteil ist)!Die Jugendstudie lässt Defizite eher bei den heute schon verantwortlichen Generationen erkennen, nicht bei der Jugend. Von der können wir eher etwas lernen, vor allem Toleranz und Entspanntheit im Umgang mit Verschiedenheit: Ist doch normal, oder?

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